Meerschweinchensucht - eine unheilbare Krankheit unserer Zeit ?

Von Prof. Dr. Cavy Guinea´Pig


Einleitung:
Die Meerschweinchensucht ist eine ernstzunehmende Krankheit nicht nur unserer modernen Zeit, sie verbreitet sich bereits seit hunderten von Jahren ueber den gesamten Erdball. Heute tritt sie in ihrer schweren Form, bei der Meerschweinchen nicht als Nahrungsmittel gehalten werden, allerdings ueberwiegend, aber nicht ausschliesslich, bei Frauen auf. Sofern die Infektion im Kindesalter beginnt, liegt eine Heilung noch im Bereich des Möglichen, spaetere Rueckfaelle im Erwachsenenalter sind allerdings nie auszuschliessen. Bei einer spaeteren Infektion besteht nach dem derzeitigen Kenntnisstand kaum noch Hoffnung auf Heilung.
Wie aeussert sich nun eine Meerschweinchensucht?
 

Krankheitsbild:
Meerschweinchensuechtige verwenden zunaechst eine eigene Sprache, in der beispielsweise die Woerter "muig", "purr", "bromsel" haeufig benutzt werden. Weiterhin versuchen sie, ihre Partner mit, von den Meerschweinchen abgelehntem, Meerschweinchenfutter (z.B. getrocknete Hagebutten) zu fuettern [Listenmail, Verfasser nicht mehr feststellbar] und ernaehren sich teilweise selbst von Meerschweinchenfutter [Melanie S., Pellets, Bischofsheim, 22.11.98]. In besonders schweren Faellen streben die Erkrankten eine Vermehrung ihrer Meerschweinchen an und finanzieren so einen Teil ihrer Sucht ueber den Verkauf ueberzaehliger Tiere [Manu, Simone, Freddy], womit sie zur weiteren Verbreitung der Krankheit beitragen. In vielen Faellen fuehrt dies sogar zu einer Verschlimmerung des bestehenden Krankheitsbilden [Claudia T. +1, Thomas und Irene +2]. Besonders kritisch ist der Besuch von sogenannten Meerschweinchen-Ausstellungen, da dort immer wieder Verkaufstiere von unverantwortlichen Dealern angeboten werden [Ulla +1]. Ebenfalls zu vermeidende Orte sind Tierheime [Herrmann + 2, Melanie S. + 2] und auch der Besuch von Zoohandlungen kann zu Problemen fuehren, wobei hier allerdings bei vielen Abhaengigen eine leichte Resistenz zu beobachten ist. Eine weitere Erkennungsmoeglichkeit ist das Verhalten der Suechtigen beim Einkaufen. Im Bereich Gemuese und Obst werden in der Regel nur die Produkte gekauft, die
von den Meerschweinchen bevorzugt werden und das haeufig in so grossen Mengen, dass das Verkaufspersonal irritiert wird [Listenmail, Verfasser nicht mehr feststellbar]. Weiterhin neigen Suechtige dazu, ihre besten Wohnraeume den Meerschweinchen zur Verfuegung zu stellen [Petra] und die Waende anderer Raeume mit essbaren Nahrungsmitteln zur Erbauung der Schweine zu dekorieren [Heike, Heidelbeerjoghurt, Kueche] oder die Wohnung mit Futter und Kaefigeinstreu zuzustellen [Manu]. In besonders schweren Faellen verbringen die Suechtigen einen grossen Teil ihrer Zeit damit, die Kaefige der Tiere selbst zu bauen [Heike, Cavy-Hilton] oder die fuer sehr viel Geld gekauften Kaefige umzubauen [Melanie S., Claudia T.]. Besonders beliebt sind  hierbei 2. Ebenen, Haengematten oder auch Auslaeufe fuer die Wohnung bzw. den Garten. Bei diesen Bauvorhaben werden ganze Baustoffhandel oder Baumaerkte tagelang nach verwertbarem Material durchsucht oder die Teppichbeststaende der Moebelmaerkte aufgekauft.
Ein typischer Meerscheinchensuechtiger beginnt haeufig damit, seine Wohnung oder sein Auto mit Meerschweinchen-Accessoires aufzuwerten. Es sollen hier besonders Kalender, Fotografien, Schluesselanhaenger, Postkarten und Aufkleber genannt werden. In schweren Faellen werden dafuer stundenlange Fahrten mit dem Auto zu den Verkaufstellen als besonders interessant empfundener Objekte auf sich genommen [Melanie S. + Claudia T., Tonmeerschweinchen, Braunschweiger Weihnachtsmarkt, 13.12.98]. Solche Exkursionen werden oft von ortsansaessigen Suechtigen organisiert [Heike, Braunschweiger Weihnachstmarkt, 13.12.98] und wochenlang akribisch vorbereitet, wobei es in der Regel zu einer kollektiven Berauschung an oertlich vorhandenen Meerschweinchen kommt. Haeufig werden die begehrten Objekte auch aus dem Ausland importiert, wobei hier z.B. der Winking-Cavy-Store als Bezugsquelle dient. Diese Massnahmen fuehren haeufig zur Vereinsamung, da Nicht-Erkrankte haeufig beim Anblick der Wohnung entsetzt fliehen. Verstaendnis ist allenfalls bei anderen Kleintiersuechtigen wie z.B. Kaninchenhaltern zu finden.

Zusammenfassend koennen wir also folgende Krankheitsbilder unterscheiden
1. das Meerschweinchen als Kindertier
In der Regel unproblematischer Krankheitsverlauf, da das Tier meistens geschenkt wird und der Impuls zur Haltung so oft von Erwachsenen ausgeht. Die Heilungschancen werden als gut betrachtet, in den meisten Faellen setzt eine spontane Selbstheilung spaetestens in der Pubertaet ein.

2. der Liebhaber
Meist ein Rueckfall nach ueberstandener Krankheit im Kindesalter, er begnuegt sich oft mit wenigen Tieren, die dafuer besonders intensiv betreut werden. Einige Liebhaber halten sich selbst fuer ein Meerschweinchen [Steckbrief Melanie S. auf DMSL-Homepage, Claudia T. nach eigenen Aussagen].

3. der Sammler
Hierbei handelt es sich um eine besonders schwere Form des Liebhabers, da hier jegliche Selbstkontrolle verloren geht und hemmungslos immer weitere Tiere dazugekauft werden [Ulla].

4. der Zuechter
Dies ist die schlimmste Form der Krankheit, da diese hier auf Kosten der Gesellschaft weiterverbreitet wird. Sie fuehrt haeufig zur Selbstaufgabe, wenn z.B. der Zuechter bei Schneefall frierend ohne Handschuhe Tee in die Traenken der Meerschweinchen fuellt [Manu] oder sich erkrankt tagelang auf Ausstellungen aufhaelt [Simone]
 

Therapie:
Die Wissenschaft ist sich darueber einig, dass nur voelliger Verzicht, aehnlich wie bei Alkoholismus, den Suechtigen zu einem normalen Leben verhelfen kann. Der Entzug gilt aus ausgesprochen schwierig, da "Meeschweinchen-Pflaster", wie sie z.B. bei den Nikotinabhaengigen verwendet werden, zur Zeit noch nicht zur Verfuegung stehen.
Im folgenden soll daher nun exemplarisch ein Entziehungsversuch am Beispiel einer Liebhaberin, 2 Tiere, also einem minderschweren Fall, beschrieben werden.

1. TAG (Donnerstag)
Nach einer ausgiebigen Verabschiedungszeremonie von ihren beiden Meerschweinchen wird die Patientin zur Erhoehung der Heilungschancen in eine meerschweinchenfreie Klinik nach London verbracht. Dort angekommen beginnt sie voellig zusammenhanglos dem sie betreuenden Pfleger von dem Verhalten der beiden Tiere waehrend der letzten  Tag zu berichten. Die Patientin bekommt einen Wutanfall, als sie feststellt, dass der PC, mit dem sie Kontakt zu anderen Abhaengigen aus der Selbsthilfegruppe DMSL aufnehmen moechte, auseinandergebaut und daher nicht zu benutzen ist. Nach massiven Gewaltandrohungen baut der Pfleger den PC zusammen und verraet das Kennwort fuer den E-Mail-Zugang, woraufhin sich die Patientin wieder beruhigt.

2. TAG (Freitag)
Der Pfleger verlaesst um 8:30 die Klinik, um seinem Nebenjob zur Bezahlung der Telefonrechnung nachzugehen. Die Patientin erhaelt die Erlaubnis, den PC zum Mailen und zum (massvollen) Surfen im Internet zu nutzen. Auf diese Weise ist sie etwa 5 Stunden beschaeftigt. Nachdem ihre innere Unruhe und die Entzugserscheineungen immer groesser werden, bereitet sie sich gegen 15:30 auf einen Ausflug in die Umgebung zur Suche nach Meerschweinchen vor. Dabei schliesst sie versehentlich die Wohnzimmertuer von aussen, deren Schloss defekt ist. Die Tuer geht nicht mehr auf und die Patientin ist von Telefon, PC und allen Notrufnummern abgeschlossen. Selbst der Zugang zur Kueche ist nicht mehr moeglich. Panik bricht aus, sie verbringt die naechsten Stunden damit, auf die Rueckkehr des Pflegers zu warten. Nachdem dieser gegen 17:30 immer noch nicht zurueck ist, beschliesst sie, sich auf die Suche nach einer Telefonzelle zu machen. Sie bricht in hysterisches Gelaechter aus, als sie beim Anziehen cremefarbene Angora-Meerschweinchenhaare auf ihrem Schal entdeckt.

3. TAG (Samstag)
Der unbefriedigende Versuch, einen Meerschweinchen-Schlüsselanhaenger zu streicheln, loest einen heftigen Zitteranfall und Halluzinationen bei der Patientin aus. Nach dem Aufbrechen der Wohnzimmertuer durch einen am Freitag bestellten Schluesseldienst darf die Patientin einige E-Mails an die Mitglieder der Selbsthilfegruppe schreiben und in Begleitung ihres Pflegers nach Richmond zum Einkaufen von Weihnachtskarten fuer andere Meerschweinchen-Abhaengige fahren. Leider wurde die Route nicht sorgfaeltig genug ausgearbeitet und so floh die Patientin in einem unbeobachteten Moment in ein Zoogeschaeft, wo sie sabbernd vor den Kaefigen von einigen hollaendischen Meerschweinchen aufgefunden wurde.
Zurueck in der Klinik rief sie John vom Winking-Cavy-Store an, waehrend der Pfleger gerade in der Kueche war, um die Lebensmitteleinkaeufe zu verstauen. John verriet ihr Ort und Datum einer Meerschweinchenausstellung, worauf der Pfleger genoetigt wurde, einen Anruf beim Verantstalter der Ausstellung zu taetigen, um eine Wegbeschreibung zu erfragen.

4. TAG (Sonntag)
Nach etwa 60 minuetiger Fahrt wurde das Ausstellungsgelaende in Tilehurst erreicht, wo etwa 100 Tiere zu sehen waren. Die Patientin ging mit einem tranceaehnlichen, stupiden Grinsen von Kaefig zu Kaefig und faselte staendig etwas von Golden-Agouti-Crested, waehrend der Pfleger im meerschweinchenfreien Nebenraum ein Schinkenbroetchen vertilgte. Nach der erfolgreichen Vernichtung des Broetchens wurde der Pfleger zu Kommentaren zu den unterschiedlichen Farben und Rassen genoetigt und gewaltsam zum Anschauen besagten Golden-Agouti-Cresteds gezwungen. Nach mehreren vergeblichen Versuchen gelang es dem Pfleger schliesslich, die Patientin zurueck in den Krankenwagen zu bringen und an Orte zu fahren, die sie vor ihrem Rueckfall vor ueber 10 Jahren besucht hatte. In Henley scheiterte das Ablenkungsmanoever klaeglich, als die Patientin, die beiden in ihrer Fototasche mitgeschmugelten Sperrholzmeerschweinchen (Made in Braunschweig) hervorzog. Die Exkursion wurde abgebrochen, da die Patientin massiv den Wunsch aeusserte, E-Mails an die Mitglieder der Selbsthilfegruppe zu schreiben.

5. TAG (Montag)
Nachdem mehrere Versuche, die Patientin am Surfen im Internet, dem Betrachten von Meerschweinchenbildern und dem Dekorieren der Wohnung mit Meerschweinchen-Objekten zu hindern, erfolglos verlaufen sind, erklaert der Pfleger die Therapie fuer gescheitert und gibt seine Zustimmung zum Besuch der grossen Meerschweinchenausstellung in Frankfurt und zur Anschaffung eines weiteren Meerschweinchens im naechsten Jahr.

Fazit:
Wie wir gesehen haben, scheiterte die Therapie bereits nach wenigen Tagen. Als einzig sicherer Orte fuer den Entzug und das darauf folgenden Lebens ohne Meerschweinchen koennen lediglich die Polarregionen oder abgelegene Berggipfel oberhalb der Schneegrenze angesehen werden, da es nur hier zu einem Engpass an geeignetem Meerschweinchenfutter kommt und so keine Tiere gehalten werden koennen. Waermere Regionen sind gaenzlich ungeeignet, da sich die Krankheit von Südamerika ausgehend bereits nach Nordamerika, Europa, Asien und Australien ausgebreitet hat, lediglich aus Afrika sind dem Verfasser keine Meldungen ueber Krankheitsfaelle bekannt, wobei dies auch an mangelnden Kommunikationsmoeglichkeiten ueber Internet liegen kann.
Ein dauerhaftes Leben in den als geeignet eingestuften Regionen ist fuer die Masse der Meerschweinchensuechtigen voellig unmoeglich, es bleibt also lediglich die Feststellung, dass diese Krankheit zur Zeit unheilbar ist.

Copyright Prof. Dr. Cavy Guinea´Pig 21.12.98